Bangkok

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Last Update: 15.8.1999

 

Wusstest Du schon,

dass Schändi jetzt einen Tailländer sogar dann wiedererkennt, wenn er anderntags ein anders farbiges T-Shirt trägt?
dass sich Schändi in einer Strassenbar verschanzen musste, um sich am Neujahrsfest vor den angreifenden Strassenbanden in Sicherheit zu bringen?
dass Schändi ein paar kulinarische Tailändische Kreationen für die Küche mit wenig Geld empfehlen kann?

Nicht? Dann solltest Du weiterlesen!

Bangkok, April 1999

Unter den Einwohner Bangkoks kursiert der Witz, dass man sich weder vor den Chinesen noch vor den Vietnamesen zu fürchten brauche, weil deren Armeen es sowieso nicht schaffen würden, durch den Verkehr zu kommen. Für den ausgekochten Globetrottel, der alles schon einmal gesehen hat, nur viel extremer, gibt es kaum noch Neues unter der Sonne. Dass diese auch heute erfolglos versucht, die dichte Smogdecke zu durchdringen, ist keine Eigenheit Bangkoks. Der award für die meist verschmutzte Stadt Asiens verdienen meines Erachtens eher Delhi oder Kalkutta. Die Mütter aller Verkehrsstaus werden überboten von ihren Kindern, die sich in Bombay und Istanbul niedergelassen haben.

Um einen ansehnlichen Verkehrsstau von rien ne va plus zu verursachen, braucht es im übrigen nicht zwingend motorisierte Fahrzeuge, eine genügend grosse Anzahl der dreirädrigen Velo-Rikschas schafft das ebenso spielend. Während der Rush-Hour in Dhaka verkeilen sich die Fahrrad-Taxis oft derart ineinander, dass sich niemand mehr bewegen kann, bis einige ihre Passagiere entnervt absteigen lassen, um ihr Dreirad zu schultern und sich zu Fuss einen Weg zu bahnen. Viele scheitern jedoch daran, dass es nirgendwo einen freien Platz gibt und ebenso wenig ein Zurück, weil sich die Lücke hinter ihnen sogleich geschlossen hat.

Der Moloch Bangkok ist weitaus besser als sein Ruf. Im Stadtzentrum gibt es keine stinkenden Müllhalden, die Strassen sind sauber gekehrt und genügen fast dem Schweizer Standard, das Verkehrschaos ist überschaubar, die Automobilisten verhalten sich im innerasiatischen Vergleich wie Chorknaben und schalten an Kreuzungen weder auf stur noch bei Rotlicht auf farbenblind und Fussgänger haben eine reale Überlebenschance. Im Bau ist ein Strassennetz, das über das bestehende erstellt wird. Teilstrecken sind bereits fertiggestellt und überdachen ganze Strassenzüge, was der Stadt eine besonderen Charme verleiht. Andernorts zieren riesige Betonpfeiler und halbfertige Autobahnbrücken das Strassenbild, Baumaschinen und -arbeiter sind dagegen keine in Sicht. Schuld daran ist die Wirtschaftskrise, die derzeit für alles hinhalten muss, was in Thailand nicht optimal läuft. Meine Bangkoker Kollegen sind sich einig, dass früher viel mehr los war und die Strassen nachts um drei voller Nachtschwärmer waren. Dies ist insofern zu bezweifeln, als die Gesetze für längere Öffnungszeiten erst kürzlich gelockert wurden.

Wirtschaftskrise hin oder her, meine Bekannten scheinen davon wenig betroffen zu sein und können sich die nicht ganz billigen Streifzüge durch Bars und Pubs mit erstklassigen Live-Bands, die Covers aus allen Sparten spielen, nach wie vor leisten. Ins Sündenviertel Patpong habe ich nur einmal einen kurzen Abstecher gemacht, aus reinem Gwunder. Den leeren Gesichtsausdruck der Mädchen fand ich deprimierend und ich ging letztlich in keines der unzähligen Lokale, schliesslich wollte ich nicht unbedingt zu viele meiner Landsmänner treffen.

Als ich wenige Tage nach meiner Einreise einen Engländer traf, der kurz zuvor von einer lokalen Gang auf offener Strasse ausgeraubt worden war und dem es gelang, anhand von Fahndungsfotos einen der Täter zu identifizieren, schien mir das noch absolut unmöglich. Mittlerweilen haben meine Thai-Kollegen bereits gute Chancen, von mir wiedererkannt zu werden, auch wenn sie am nächsten Tag ein anders farbiges T-Shirt tragen.

Es wird meinen Papi sicherlich freuen zu hören, dass die Thais insofern zivilisiert sind, als sie sich für Fussball interessieren. Vor allem die englische Liga vermag die Gemüter zu erhitzen. So werden englischen Touristen oft irgendwelche Namen angeworfen, damit sie endlich erfahren, wer bei Manchester United und wer bei Liverpool so alles mitspielt. Vor wenigen Tagen liess ich mich zu einem lokalen Fussballspiel mitschleppen; so musste ich bis nach Thailand reisen, um endlich ein ganzes Spiel vom Anfang bis zum Schluss durchzustehen. Zum Stillstand kommt das Leben aber erst, wenn im Fernsehen Thai-Boxing läuft. Während des Kampfes ist es nicht nur unverschämt unhöflich, von jemandem etwas zu wollen, sondern schlicht unmöglich. Die Thais sind im allgemeinen sehr tolerante Leute und verzeihen den Farangs, wie sie alle Ausländer nennen, fast alles, aber beim Thai-Boxing hört der Spass auf. Ebenso wenig zu empfehlen ist eine Kritik am Königshaus, selbst unter progressiven Thais schafft man sich damit keine Freunde, Politiker, Korruption und Misswirtschaft sind dagegen zur öffentlichen Diskussion freigegeben. Die Königsfamilie jedoch ist unfehlbar und unantastbar. Der Kult lässt sich sehen: kaum ein Laden oder ein Lokal, in denen keine Bilder des Königspaares hängen, kein Kinobesuch, bei dem - nach den Werbeblocks - alle zu Nationalhymne aufstehen, während Dias rund um das Leben und Wirken des Königs auf die Leinwand projiziert werden. Dass der König verfassungsrechtlich gar keine Macht hat, scheint niemanden zu stören.

Die Thais sind stolz darauf, nie von einer Fremdmacht kolonisiert worden zu sein. Dass sie im Zuge der Wirtschaftskrise zu Bittstellern beim IWF geworden sind, der ihnen nun die Wirtschaftspolitik diktiert, ist eine bittere Pille. Sauer aufgestossen ist mir die ökonomische Krise unter den Travellern: Da kommt schon mal das Eine oder Andere weg. Im Norden Thailands war ich fast zwei Wochen mit derselben Gruppe von fünf Leuten unterschiedlicher Nationalität unterwegs. Wir hatten eine lustige Zeit und verabredeten uns zu einem Treffen auf einer der Inseln vor Thailand. Ich hatte auf dem Weg dorthin noch etwas anderes vor und stiess erst später wieder zur Gruppe. Alle waren dort bis auf einen, der sich eines Nachts aus dem Staub gemacht hat, zusammen mit Bargeld und Wertsachen der anderen. Da er genau wusste, wer was wo aufbewahrt, liegt die Vermutung nahe, dass er diesen Coup seit langem geplant hatte. Wir waren uns jedoch einig, dass es kein Indiz gab, das auf seine Absicht hingewiesen hätte. Er war ein witziger, unterhaltsamer Typ mit dem typisch englischen Humor, der immer mit intelligenten Sprüchen aufwartete und in philosophischen Diskussionen viel Tiefgang hatte. So etwas hätte ich wirklich nie erwartet. Da wir oft nur zu zweit etwas unternahmen und ich viel Zeit mit ihm verbrachte, haben die eigentlich positiven Erinnerungen an den Norden Thailands einen üblen Nachgeschmack, obgleich ich selbst nicht geschädigt worden bin.

Auf ein etwas ausgedehnteres Strandleben hatte ich mich seit langem gefreut und ich genoss es, belästigungsfrei und ohne mich schlecht dabei fühlen zu müssen, in Badekleid und Shorts herumzuspazieren. Zusammen mit einer Slowenin und deren Zelt zog ich auf eine weitere kleine Insel, wo die wenigen Bewohner ausschliesslich von Kokosnüssen und Fischen leben sollen. Diese Information scheint schon etwas in die Jahre gekommen zu sein. Heute sind die nicht so wenigen Bewohner und Zuwanderer so sehr damit beschäftigt, die vielen Touristen zu bedienen, dass die Kokosnüsse verrotten. Ein ähnliches Schicksal ist vielen Inseln und Küstenorten beschieden, der Tourismus wird gefördert und zwar bis zur Überkapazität zum einen und zur absoluten Geschmacklosigkeit zum andern. In einem solchen Küstenort, der angeblich nicht nur traumhaft schöne Strände bietet, sondern zusätzlich ein Städtchen mit viel Charme, fand ich mich umzingelt von "Little England" und "Norddeutschem Restaurant" und versuchte vergeblich, den Charme zu finden, während die Thais im Western Look und mit Gitarre "Country Rose" spielten. Nach einem halben Tag brach ich meine Suche erfolglos ab.

Mittlerweilen befinde ich mich in einer kleinen Grenzstadt zu Kambodscha. Eigentlich hatte ich nicht vor, mich hier länger aufzuhalten, aber ich bin bei einem Amerikaner in seiner neu eröffneten Bar hängengeblieben. Er hat mich dazu überredet, das buddhistische Neujahrsfest dort zu begiessen. Begossen werden vor allem andere, und zwar mit eisgekühltem Wasser aus Kübeln oder Wasserpistolen. Grundsätzlich gilt: Jeder gegen jeden, es gibt jedoch auch Wasserbrüder, die sich am Strassenrand oder auf Ladeflächen von Kleinlastern zusammentun und gruppenweise in die Schlacht ziehen. Wir verschanzten uns in der Bar und hielten eine optimale Stellung ohne Nachschubprobleme und mit einer Reichweite bis zur anderen Strassenseite. Offenbar hat es sich unter den Locals herumgesprochen, wo es eine Farang-Hochburg zu stürmen gibt, einige der Trucks kamen verdächtig oft vorbei und konnten immer aus vollen Kübeln die Wasserschlacht eröffnen. Unsere Verteidigungslinie wurde allmählich durchlässig, und schon bald war bis in die hintersten Winkel der Bar nichts mehr trocken. Das Wasser ist nur ein Teil des Reinigungsrituals für das neue Jahr, der andere Teil ist das Bepudern des Gesichts mit Seifenpulver, wofür man geduldig hinhalten muss. Wasser wird ausgegossen und billiger Mekong-Whiskey eingegossen, so bin ich heute sauber, but not sober, ins neue buddhistische Jahr gestartet.

Die Trinkkultur der Thais ist bemerkenswert: Innerorts und auf Überlandstrassen gibt es behelfsmässige Stände, an denen sich Passanten, Motorradfahrer, Führer und Passagiere stärken können. Das Getränk aus grossen Einmachgläsern sieht aus wie Sirup, ist jedoch selbst gebrannter Reis-Whiskey. Da es um diese Stände weder Stühle noch Tische gibt, sind diese wohl tatsächlich als Drive-Ins gedacht.

Auch kulinarisch habe ich einige Höhenflüge hinter mir: Gebratene Ratte zum Beispiel ist mir der üblichen Dosis Chilli gar nicht so schlecht. die psychologische Schranke bei eingelegten Maden war da deutlich höher, und die fritierten Riesen-Küchenschaben waren erst als knackiger Snack zu vorgerückter Stunde denkbar. Die Thai-Küche hat auch viel appetliches zu bieten und ist äusserst reichhaltig, obwohl das Thai-Wort für Essen gleichzeitig "Reis" bedeutet. Selbst in Billig-Essstuben gibt es meist eine dicke Speisekarte mit einer grossen Auswahl. In Kambodscha dürfte es diesbezüglich wieder merklich schmäler werden.

Thailand hat mir in vielerlei Hinsicht gut gefallen. Es war ein ausgezeichneter Platz, um sich von den Strapazen in den vorher besuchten Ländern zu erholen. Das Reisen ist leicht und unkompliziert, alles funktioniert prächtig, die Leute sind freundlich und hilfsbereit, alles ist leicht und schnell erhältlich. Ich wusste den höheren Lebensstandard zu schätzen, was immerhin beweist, dass ich nicht so zivilisationsmüde bin, wie ich gerne vorgebe. Zu Beginn waren die verbesserten Bedingungen zwar etwas gewöhnungsbedürftig. So habe ich beispielsweise an einem meiner ersten Aufenthaltsorte im Norden zwei Tage lang nicht bemerkt, dass es in meinem Bungalow elektrisches Licht gab. In gewohnter Manier habe ich bei Taschenlampen- und Kerzenlicht gelesen!

In Burma kamen Lichtschalter zwar vereinzelt vor, Strom gab es jedoch meist nur bei denjenigen, die sich einen Generator leisten können. Die Elektrizitätsversorgung ist selbst in den Städten erratisch. Welches Quartier heute für wieviele Stunden Strom erhält, ist vermutlich lediglich ein weiteres Politikinstrument. Erdrückend ist die allgegenwärtige Propaganda, die von knallroten Riesenschildern in weissen Lettern herabschreit. Die 19-köpfige Militärjunta mit dem vertrauenserweckenden Namen SLORC (State Law and Order Restoration Council) scheint sich ihrer Sache sicher zu sein und will ihre Weisheiten auch dem ausländischen Besucher nicht vorenthalten. So ist vielerorts auf Englisch zu lesen, wie sehr es der Bevölkerung ein Bedürfnis ist, sämtlichen Widerstand gegen den Staat zu zerschlagen und die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Ryj endlich aus dem Land zu schmeissen. Andere Schriftzüge an strategischen Punkten und öffentlichen Gebäuden mahnen, wie unfein es ist zu zögern, wenn es um die Erhaltung der inneren Ordnung geht, und wie nobel Blut und Schweiss als Opfer für die Staatssicherheit ist. Diese sieht die Junta vor allem durch Studenten gefährdet, weshalb die Universitäten als potentielle Krisenherde für Unruhen vor zwei Jahren kurzerhand geschlossen wurden. In ländlichen Gebieten sind Umsiedlungen ein beliebtes Mittel, um möglichem Widerstand zuvorzukommen. Wird der Bauer von seinem Land getrennt, ist er entwurzelt und verloren. Einige haben Glück und werden lediglich verjagt, andere werden zur Zwangsarbeit eingezogen und teilweise in Fussketten zum Strassenbau gezwungen oder in Minen eingesetzt, Männer wie Frauen und Kinder. Im Vergleich gaben sich die Militärs in Pagan, einer Tempelstadt aus über 40'000 buddhistischen Pagoden, geradezu menschlich. Den ca. 10'000 Einwohnern wurde in einem Schreiben erklärt, dass ihre Gegenwart die Touristen störe. Bis zur gewaltsamen Räumung der Stadt wurde eine einwöchige Frist eingeräumt, grosszügigerweise stellte die Regierung einen (!) Lastwagen für den Umzug zur Verfügung und schenkte jeder Familie zehn Säcke Zement zum Bau eines neuen Hauses. Viele Burmesen sprechen trotz des Risikos und harten Strafen offen über die missliche Menschenrechtslage und den scheusslichen Terror, den die Militärs ausüben. Ich war eine Zeit lang mit einem burmesischen Profi-Fotografen unterwegs (warum schiesst dann das Schändi noch immer so lausige Fötelis? fragt Ihr Euch vermutlich zu Recht. Er gab mir einige Tips, aber die scheinen nicht recht zu greifen!), der selbst in der Öffentlichkeit kein Blatt vor den Mund nimmt, bildlich festhält, was niemand sehen darf und Dokumentationsmaterial ausser Landes schmuggelt. Da sich der burmesiche Widerstand von Chiang Mai, der grössten Stadt im Norden Thailands, aus organisiert, und viele seiner politischen Freunde dort sitzen, war es naheliegend, dass ich ein paar Geschenke und Pakete dort ablieferte.

Andere gute Informationsquellen in Burma selbst sind die Mönche, die in ihren Klöstern relativ unangetastet leben und bei denen man als Reisender immer Unterschlupf findet. Dass der Bambusvorhang noch undurchlässiger ist als damals der eiserne, dafür sorgt das desolate Kommunikationssystem. Im ganzen Land gibt es zwei öffentliche Telecom-Büros, von welchen Auslandgespräche mit maximaler Sprechdauer von drei Minuten geführt werden können. Während das Büro in Rangoon immerhin an sieben Tagen in der Woche geöffnet ist, wenn auch nur bis vier Uhr nachmittags, sah man sich in Mandalay zur Massnahme gezwungen, an Wochenenden zu schliessen, wie mir der Beamte dort erklärte, weil vor allem sonntags immer alle telefonieren wollten - Kundenorientierung in Burma. Auf eine internationale Verbindung wartet man zwischen drei und vier Stunden, um dann zu erfahren, dass zum grossen Bedauern gerade heute leider keine Linie in das gewünschte Land verfügbar sei. Ausländern ist es untersagt, ein Faxgerät bei der Hauptpost in Rangoon zu benutzen. Dennoch wollte ich nicht so rasch aufgeben und suchte für den Geburtstagsfax an Benno einen privaten Anbieter und wurde in einem der Luxushotels fündig. Die Transaktion scheiterte nicht etwa an meiner Knauserigkeit, die geforderten 15 Dollar pro Seite hinzublättern, sondern letztlich daran, dass die Dame, die den Fax entgegennahm, dessen Inhalt nicht verstehen konnte. Nach einigen Minuten kam sie zurück und fragte, in welcher Sprache dies bitteschön geschrieben sei. Nein, auf Deutsch dürfe sie nichts faxen, ich solle dies doch bitte in leicht verständliches Englisch übersetzen und erst dann wiederkommen. Auf Anfrage, ob sie E-Mail habe, händigte sie mir ein Formular aus, wo ich von Hand in dem dafür vorgesehenen Feld meine Botschaft in einfachem Englisch notieren könne, das 'Gut zum Mail' habe sie bis morgen eingeholt, die Sekretärin werde darauf mit dem Eintippen beauftragt, das Abschicken dagegen werde sie übernehmen.

In Rangoon lernte ich einen jungen Typen kennen, der nach seinem Studienabschluss in den USA zurückgekehrt war mit der Absicht, ein Internet-Café zu öffnen. Das Café hatte er bereits, Internet noch nicht. Bezüglich der Bewilligung war er zuversichtlich, er werde dies den Ministern schon schmackhaft machen. Als ich einige Wochen später nach Rangoon zurückkam, war das Café geschlossen und vom Besitzer fehlte jede Spur. Vielleicht war er gerade in mehrtägigen Verhandlungen, möglicherweise teilt er sich auch eine Zelle mit dem am höchsten angesehenen Astrologen des Landes, der für das Jahr 99 eine grosse politische Wende vorausgesehen hatte und sich jetzt auf eine bessere Version der Zukunft besinnen darf. Astrologen werden selbst in der Regierung ernst genommen und sie helfen, die Geschicke des Landes zu bestimmen. Der Hausastrologe des während Jahrzehnten führenden Generals hat einmal gewarnt, dass die linke Seite eine unheilvolle sei. Was beim Entschlüsseln dieser kryptischen Botschaft im Kopfe des Generals vorging, ist nicht überliefert. Jedenfalls liess er daraufhin nicht etwa die Wirtschaft dezentralisieren, sondern über nacht von Links- auf Rechtsverkehr wechseln. So wird heute auf der rechten Strassenseite gefahren, obwohl die Fahrzeuge für den Linksverkehr gebaut sind, somit der Fahrer rechts sitzt. Ein weiteres Kuriosum ist die burmesische Währung, die auf eine ähnliche Geschichte im Zusammenhang mit der Glückszahl einer der Generäle zurückgeht und die es in der angenehmen praktischen Stückelung 1, 2, 5, 15, 45, 90, 200 gibt. Da werden weitgereist müde Geister wach.

Zum Schlafen ungeeignet sind Busfahrten, was einen Grossteil der Locals jedoch nicht zu beeindrucken scheint. Die schaffen es locker, ganze Strecken zu verpennen, auch wenn sie auf holprigen Strassen hin- und hergerüttelt werden. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit in Burma beträgt 15 km/h, und zwar nicht deshalb, weil man noch mit Pferd und Wagen unterwegs wäre. Strassen und Transportmittel sind vielerorts in einem so desolaten Zustand, dass meist mehrere nicht fahrplanmässige Stops eingeschaltet werden müssen, um Reifenpannen zu beheben, andere Schäden zu reparieren oder auf einen noch fahrtüchtigen nächsten Bus zu warten.

Auffallend gut werden die Strassen plötzlich im Goldenen Dreieck, wo die Drogenzare auf eigene Initiative und mit eigenen Mitteln die Transportwege sicherstellen, im besonderen die Verbindungen nach China und Thailand. Rechtzeitig auf die internationale Drogenkonferenz wurde der Drogenzar Nr. 2 festgenommen. Er sitzt, aber nicht im Gefängnis, sondern am Swimmingpool seiner Luxusvilla in Rangoon. Wie die Konferenz verlaufen ist, weiss ich nicht. Mehr als Lippenbekenntnisse dürften seitens der Junta nicht drinliegen. Ein Soldat der burmesischen Armee verdient monatlich 2 US $, ein Offizier 5 US $, und damit ist selbst in Burma keine Auskommen möglich.

Ebenso ernsthaft durchgegriffen wird in Laos, wo ich an meinem zweitletzten Abend im Grenzort zu Thailand am Ufer des Mekong einen Beamten traf, der von der Regierung zur 'Drug supply on demand reduction' eingesetzt wurde, wie es auf seiner Visitenkarte hiess. In einer Kneipe hatte er mich an seinen Tisch gebeten und mich eingeladen, in der fröhlichen Trinkrunde mit zwei Mitarbeitern etwas mitzufeiern. Er sprudelte förmlich über von Geschichten um versteckte Heroin-Labors, Schmugglerboote über den Mekong, Koordinaten von Schlafmohnplantagen, Dörfern, in denen die Drogenabhängigkeit grösser ist als die Alphabetisierungsrate und Opium ein anerkanntes Zahlungsmittel. Was er dagegen in seiner Funktion unternimmt, wollte er nicht verraten. Statt dessen lud er mich ein, ihn in seinem Büro aufzusuchen. Da auf seiner Visitenkarte lediglich ein Postfach vermerkt war, musste ich einen halben Tag rumfragen, bevor ich ihn aufspüren konnte. In seinem Büro standen ein Tisch und ein Stuhl, einen zweiten für mich musste er erst organisieren, das Regal an der Wand war leer, auf dem Tisch lag ein Telefonbuch von Thailand, einen Telefonanschluss gab es dagegen keinen. Er war weitaus weniger gesprächig als am Vorabend. Ein Mitarbeiter brachte Kaffee und verschwand wieder. Er warte, liess er mich schliesslich wissen, den ganzen Morgen schon auf einen Mann, der ihm einen Umschlag bringen soll, den sie dann gemeinsam öffnen wollen, den Inhalt kenne er nicht. Eben, der Mann sollte jeden Moment eintreffen mit einem Umschlag, den sie dann zusammen öffnen. Vielleicht wird auch noch ein dritter dabei sein. Godot kam nicht. Ich trank meinen Kaffee fertig, Schändi ab von der Bühne, die aus einem absurden Theaterstück von Beckett oder Sartre hätte sein können. Ich nehme an, dass der gute Beamte lediglich einen schlimmen Kater hatte und sonst mit grossem Elan Drogenangebot und -nachfrage wirkungsvoll bekämpft.

Im übrigen erfreue ich mich bester Gesundheit, mein Magen mach alles ohne zu meckern mit (echt gut, so Gene von Papi!). Das Älterwerden ist ein Trauerspiel (Anmerkung vom Mami: wem sagt sie das!), aber erwachsen werden habe ich dennoch nicht vor. Da ich nur selten Gelegenheit habe, mich im Spiegel zu betrachten, ist die Auszählung der grauen Haare noch nicht abgeschlossen. Aber ich meine festzustellen, dass die Zuwachsrate abnehmend ist, wie man das in Politik so schön formuliert, um Hässliches zu beschönigen!

Alles Liebe

Andrea