Das Zitat vom 3. April 1999:

"Keine. Ich habe alles vergessen."

(Der amerikanische Nachmittags-Talk-Show-Master Jerry Springer abends zu der Frage,

welche Gäste-Rauferei ihm an diesem Tag am meisten gefallen habe -

aus dem Spiegel 13/99)

Ein Gedanke zu diesem Zitat drängt sich gleich auf:

Das ist ja wirklich ein himmeltrauriger Beruf, bei dem man abends schon alles vergessen hat -

vergessen muss?, vergessen will? -

was man den Tag über tat.

Na gut, es ist wohl so, dass viele Menschen, die täglich für Stunden

in immer gleiche graue Büros und braune Fabriken verschwinden,

gerne alles vergessen (möchten),

was sie dort an Arbeiten zu erledigen haben.

Traurig genug.

Aber zumindest müssen sie sich nicht dafür schämen,

was Springer vielleicht nicht tut, aber wohl tun sollte.

Seine Show -

vor der wir in der Schweiz bisher noch verschont worden sind -

muss ein moderner Gladiatorenkampf auf unterstem Niveau sein,

bei dem sich unglückliche und hysterische Menschen schimpfend in den Haaren liegen.

Sie ist also wohl ein trauriger Tiefpunkt der heutigen Fernsehwelt.

Oder allgemeiner:

Der heutigen Welt.

Und hier drängt sich ein zweiter Gedanke auf:

Ist es nicht in Wirklichkeit sogar so,

dass viele, die meisten Menschen gar, nicht nur die Arbeit,

sondern auch den Rest ihrer Tage schnell und gerne vergessen?

Die kleine Alltagswelt ist eintönig, eigenartig leer und schaal.

Die grosse Welt drumherum ist ein Wirrwarr aus

Armut, Krieg und Katastrophen.

Sind Hilf- und Sinnlosigkeit nicht oft so gross,

dass auch wir abends auf die Frage:

"Welche Erfahrung dieses Tages hat dich am meisten bereichert?"

dies antworten würden:

"Keine. Ich habe alles vergessen."

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